Es ist eine verbreitete Ansicht, die ich allerdings so nicht teile, dass die Menschen an Ängsten leiden infolge ihrer „Angstgedanken“: Sie nehmen irgendetwas wahr und geraten dabei in Angst. Warum? Weil sie den Gedanken haben, dass sie in Gefahr sein könnten. Sie schätzen die Situation als bedrohlich ein und reagieren mit Angstgefühlen.
Dabei können sie Fehler machen: Sie halten etwas für bedrohlich, beispielsweise eine Spinne – nicht weil sie tatsächlich gefährlich ist, sondern nur weil sie es denken. Es sind, in dieser Lesart zumindest, primär die Gedanken des Menschen, die die Angst bewirken sollen. Würden sie die Gedanken ändern, könnten sie sich von der Angst befreien.
Der therapeutische Ansatz ist dann, die Ängste des Menschen dadurch zu behandeln, dass man die Angstgedanken klärt. Also: Wo kommen sie überhaupt her, zu welchem Zeitpunkt sind sie entstanden? Sind es „vernünftige“ Gedanken; gibt es tatsächlich eine Gefahr? In dem nächsten therapeutischen Schritt wären dann solche „falschen“ Gedanken, die die Angst hervorrufen, durch die richtigen zu ersetzen und so die Befreiung von Angst zu erreichen.
Die Resultate wecken Zweifel. Viele Menschen, die unter Angst leiden und zu mir in die Praxis kommen, sind sich absolut im Klaren, dass ihre Ängste irrational sind. In oft langen Therapien haben sie sich den Ängsten gestellt und die Angstgedanken geklärt. Sie können sie rational erklären – nur leider ist die Angst geblieben.
Der Grund ist folgender (denke ich): Sie haben nicht Angst aufgrund ihrer Gedanken, sondern sie haben Angstgedanken, weil sie im Inneren Angst erleben.
Man kann das experimentell testen: Schlangenphobikern wurden Schlangenbilder gezeigt. Sie sagten, das mache ihnen nichts aus, das seien ja nur Bilder von Schlangen. An den Menschen angebrachte Sensoren zeigten aber unverkennbar, dass die Betroffenen schon Angstschweiß ausstießen. Mit anderen Worten: Sie dachten und sagten, dass sie keine Angst hätten. Aber ohne dass sie es bewusst erfassten, hatte der Körper schon Angst produziert.
„Man stellt bei ihnen Schweiß auch dann fest, wenn das Bild einer Schlange so kurz gezeigt wird, dass sie davon keinen bewussten Eindruck erhalten. Gibt man fortgesetzt solche vorbewussten emotionalen Anstöße, werden sie schließlich so stark, dass sie ins Bewusstsein eindringen.“1
Der emotionale Stress namens Angst war bei den Menschen also schon da. Es brauchte aber noch einige Zeit, bis das Bewusstsein das mitbekam. Der Körper hatte schon Angst erzeugt, nur das Bewusstsein wusste es nicht. Hier ist es also eindeutig so, dass nicht die Gedanken Angst erzeugen. Stattdessen baut der Körper Angst auf, dann erst entstehen die Angstgedanken.
Darum könnte es ihnen kaum helfen, wenn man die „Angstgedanken behandelt“. Sie sind ja nicht die Ursache, sondern vielmehr die Wirkung der Angst.
Es ist der emotionale Stress, der sich zunächst im Körper erzeugt und erst dann das Denken erfasst, den die energetische Hypnose als ihren Ansprechpartner erfasst. Sie kann sich darum „schweigend“ vollziehen: Die an Ängsten leidenden Menschen sprechen in der Hypnose nicht (es sei denn, es wäre von ihnen gewünscht), nur der Hypnosetherapeut spricht, um mit dem Organismus zu kommunizieren und innere Blockaden wieder zu lösen.
[Übrigens ist es natürlich so, dass auch Gedanken Angst auslösen können, z.B. infolge von Informationen, die sich als unwahr herausstellen. Das ist aber ganz normal und kein Zeichen einer Angststörung. Werden die Tatsachen richtiggestellt, verschwindet die Angst nämlich auch wieder. Bestünde hingegen tatsächlich Gefahr, wäre die Angst ja auch berechtigt, zumindest als erster Impuls des Menschen.
Und natürlich kann es so sein, dass Menschen (oftmals Gruppen von Menschen) die Welt sehr unterschiedlich betrachten. Die einen sehen Bedrohungslagen, die anderen hingegen nicht. Auch das ist kein Zeichen einer Angststörung. Vor allem aber kann man hier sehen, dass der Verweis auf die „Tatsachen“ oftmals keine Klärung bewirkt. Was der eine als Tatsache sieht, ist für den anderen eine Täuschung. Auf dieser Basis kommt man nicht weiter. Man müsste neue Wege beschreiten, da sonst die Fronten verhärtet bleiben.]
Anmerkungen:
1) Daniel Goleman: Emotionale Intelligenz, München 1999, S. 77